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An(ge)dacht: Faires Ringen um die besten Argumente

Haben wir das konstruktive Streiten verlernt? Das fragt sich Superintendentin Jutta Walber. Persönliche Angriffe anstelle des Diskurses verfehlen das Ziel des Streitens - eine tragbare Lösung für alle zu finden.

„Man darf ja gar nichts mehr sagen...“

 Diesen Satz habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten vermehrt gehört. Gilt bei uns keine Meinungsfreiheit mehr? Was meinen Menschen, wenn sie so etwas sagen? Warum haben offenbar viele das Gefühl, sich nicht mehr frei äußern zu können? Sind offene Diskussionen und Streitkultur nicht eine Voraussetzung, um sinnvolle Entscheidungen treffen zu können? Grundlage für Entwicklung und Demokratie?

Angesichts vielfältiger Herausforderungen sollte es doch darum gehen, gemeinsam tragfähige Lösungen zu suchen und zu finden. Wesentlich hierfür ist aber doch eine Streitkultur, die um die besten Argumente ringt. Ein Streiten, das die Argumentation der anderen würdigt und erwägt, um so herauszufinden, was die besten Schritte in eine gelingende Zukunft sein können. Das erfordert eine Haltung, die im Ringen um Antworten bereit ist, die eigenen Ansichten und Gedanken in Frage stellen zu lassen. Auffassungen, die den eigenen widersprechen, nicht als persönlichen Angriff zu werten. „Man darf ja nichts mehr sagen...“  spricht von der Angst, wenn die eigene Meinung nicht geteilt wird, als Person diffamiert und entwürdigt zu werden.  

Leider nehmen aktuell unter uns die Angriffe auf Personen zu, wenn ihre Ansichten von eigenen Überzeugungen abweichen. Beschimpfungen gegenüber Verantwortungsträger*innen nehmen zu. Umso mehr gilt es wieder einen fairen Wettstreit um die besten Argumente zu etablieren. Aktuell sind alle gesellschaftlichen Bereiche im Wandel begriffen, umso dringender brauchen wir den Diskurs.

Zu seiner konstruktiven Gestaltung gehört die Lust an der Vielfalt von Ideen, an einer Kultur des Streitens die in gegenseitiger Würdigung miteinander ringt. Oder wie es in 2. Timotheus 2,5 heißt: Wer einen Wettkampf bestreitet, erhält den Siegeskranz nur, wenn er nach den Regeln kämpft. Nur eine Kultur, die Vertreter*innen einer anderen Meinung nicht als zu bekämpfende Feind*innen  ansieht, sondern als Mitstreiter*innen für eine lebenswerte Zukunft, ermutigt Menschen, ihre Standpunkte und Ansichten offen zu äußern.

Ich wünsche mir eine solche Kultur des Streitens, in der keine/r Angst haben muss, persönlich angegriffen zu werden.  Eine Kultur in der es Spaß macht, Argumente auszutauschen, weil sie gewürdigt werden als Beitrag auf der Suche nach Wegen in eine gemeinsame vielfältige Zukunft für alle.

Superintendentin Jutta Walber