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An(ge)dacht: Die Reise zu meinem Selbst

Schulpfarrerin Dorothee Lorentz liebt das Reisen. Doch in diesem Sommer hat sie die Koffer im Schrank gelassen und ist auf eine ganz besondere Reise gegangen.

Ich liebe die Ferien und ich liebe das Reisen. Das Reizvolle daran besteht ja darin, neue Landschaften und Kulturen kennenzulernen, den Alltag hintersich zu lassen und neue Kraft zu tanken.

In den letzten sechs Wochen haben viele Menschen unterschiedliche Urlaubsländer bereist, um zu entspannen und Neues zu erleben. Wie im letzten Jahr habe ich auch diese Ferien zu Hause verbracht, weil mir trotz doppelter Impfung die Coronalage noch zu unsicher ist.

Trotzdem habe ich die freien Tage genutzt, um eine ganz andere Reise anzutreten, die Reise in mein Innerstes. Ich kann Ihnen diese Reise nur empfehlen. Sie ist abwechslungsreich, mittelschwer und voller Überraschungen.

Ich suchte in den letzten Wochen keine Zerstreuung, sondern gedankliche Ruhe. Und so plante ich ganz bewusst unterschiedliche Reiserouten.

Zunächst führte mich mein Weg in die Natur. Einatmen – Ausatmen. Schritt für Schritt durchwanderte ich bei gutem Wetter Wiesen und Wälder. Ich spürte den Waldboden unter meinen Füßen, der Duft der Blumen durchströmte meine Sinne. Ich hörte den Wind und das Zirpen der Grillen. Die Wolken zogen ihre Bahnen und um mich herum flatterten munter die Schmetterlinge. Gottes großartige Schöpfung begeisterte mich wieder aufs Neue.

Reife Brombeeren am Wegesrand zu naschen brachte mich dann schon zu meinem zweiten Reiseabschnitt, den ich kulinarisch erlebte. Orientalische Gewürze entführten mich sinnlich in ferne Länder. Ich koche nämlich für mein Leben gerne, am liebsten für meine Familie, und probiere dann auch gerne Neues aus. Zu meinem Selbst gehört der Genuss und der kam voll auf seine Kosten. Schmecken und genießen – zu mir selbst finden in der Gemeinschaft mit lieben Menschen.

Und wie sollte es anders sein? Auf allen Reiseabschnitten stieß ich natürlich auch wieder auf die Fragen, die mich seit je her als Theologin beschäftigen: „Wo stehe ich in meinem Leben?“, „Welche Rolle spielt mein Glaube im großen kosmischen Ganzen?“, „Worin liegt der Sinn meines Daseins?“

Mit diesen Fragen im Gepäck und mit verschiedenen Büchern habe ich meine Reise fortgesetzt und die Stille wie schon bei den Wanderungen genossen. Diese auszuhalten war am Anfang gar nicht so einfach. Auch die Gedanken zu verlangsamen, bedarf der Übung. Doch mit der Lektüre interessanter Bücher, konnte ich mich auf das Wesentliche konzentrieren.

Im Zusammenhang der Pandemie und der weltweit nicht enden wollenden Katastrophen ist mir auf diesem Reiseabschnitt der Antwortsuche der Begriff der „Achtsamkeit“ wieder sehr wichtig geworden. Unser Miteinander funktioniert nur, wenn wir lernen, achtsam mit uns selbst, mit unserenMitmenschen, mit der Natur und mit unserem Glauben umzugehen.

Und so befasste ich mich auch mit dem Glaubensbekenntnis und las das Buch „Credo“ von David Steindl-Rast. EinenAbschnitt finde ich erwähnenswert. Er schreibt: „Das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lev 19,18) lautet genauer übersetzt: „Liebe deinen Nächsten als dich selbst“, weil dein wahres Selbst dich und deinenNächsten umfasst. Nur dieses Selbst kann wahrhaft lieben.“ (S. 21f)

Meine Reise zu mir selbst führt mich somit erholt wieder in die Welt, in den Alltag, zu meinen Lieben, in die Schule zu meinen Schülern und Arbeitskollegen, zu meinen Freunden und Bekannten, mit denen ich „achtsam“versuche umzugehen, und die mir in den nächsten Tagen von ihren Urlaubseindrücken berichten werden.

Pfarrerin Dorothee Lorentz, BBS Idar-Oberstein, Harald-Fissler-Schule