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An(ge)dacht: Warten, bis die Seele nachkommt

Ferienzeit ist Erholungszeit. Vielen von uns fällt es aber gar nicht so leicht, zu uns selbst zu finden. Pfarrer Klaus Rath fällt da eine Geschichte ein...

Liebe Leserinnen und Leser,

die großen Ferien haben begonnen; es ist Urlaubszeit - Zeit, um zur Ruhe zu kommen; zu „entschleunigen“, wie das Zauberwort heute heißt; und endlich einmal wieder zu sich selbst zu finden.

Vielleicht kennen Sie die Geschichte von den Europäern, die in Afrika eine Expedition machten.  Eingeborene begleiteten sie, um ihr Gepäck zu tragen und sie beim Marsch durchs unbekannte Land zu unterstützen. Die Europäer wollten schnell vorankommen und trieben deshalb ihre afrikanischen Helfer zur Eile an. Nach einigen Tagen waren diese jedoch nicht mehr bereit, sich auch nur einen Schritt von der Stelle zu bewegen. Weder dringliche Appelle noch gutes Zureden halfen. „Warum wollt ihr nicht mehr weitergehen?!" fragten die Europäer. Die Eingeborenen antworteten: „Wir sind in den letzten Tagen so schnell gegangen - unsere Seele ist nicht mehr mitgekommen! Wir warten, bis unsere Seele nachkommt!"

Den Fuß vom Gaspedal nehmen; die Überholspur verlassen; den Tunnelblick ablegen und zur Besinnung kommen - ich weiß, wie schwer diese Umstellung für manche ist! Doch sie ist wichtig, dass unsere Seele nachkommt, wir wieder zu uns finden und mit uns selbst eins sein können. Um zu verdeutlichen, was ich meine, lassen Sie uns einen Blick auf die Schnecke werfen; denn von ihr können wir manches lernen:

Sie hat Geduld - und kommt doch ans Ziel, ohne sich abzuhetzen. Bei ihrem Tempo kann die Seele immer nachkommen!

Auch ist eine Schnecke genügsam. Außer ihrem Haus, in welchem sie gerade Platz findet, braucht sie nichts. Sie jagt nicht tausend Dingen nach, die sie meint haben zu müssen, damit ihr Dasein erfüllt ist. Sie lebt einfach - und damit wesentlich.

Noch etwas kann uns die Schnecke lehren: Auf dem Schneckenhaus erkennen wir eine spiralförmige Linie. Sie verläuft von innen nach außen bzw. von außen nach innen. Diese Linie kann uns daran erinnern: Wer ein ausgeglichener Mensch sein will, der muss manchmal die Reise nach innen antreten. Denn dort können wir zu uns selber finden - und zu Gott, der die Quelle von Ruhe und Frieden ist. Wenn wir dann wieder nach außen zurückkehren, dürfen wir wissen, dass in der Ruhe die Kraft liegt; dass aus der Muße viele neuen Ideen kommen; und dass das Einssein mit sich selbst nicht durch Eile zu haben ist, sondern nur durch Weile.