„Eigentlich“ und "In diesen Zeiten“ sind zu beliebten Redewendungen geworden. Wir haben uns daran gewöhnt, das Leben ganz oder fast ganz im Zeichen der Pandemie zu sehen. Es fällt uns schwer, den Gedanken daran, außer Acht zu lassen. Gut so, denke ich, denn jede Zeit hat das Ihre.
In der heutigen Tageslosung heißt es, dass Gott über uns den Geist der Gnade und des Gebets ausgießen will. (Sacharja 12,10) Dass wir aus diesen Tagen gesund an Leib und Seele hervorgehen, dies wünschen wir uns alle. Viele Rettungsschirme werden derzeit aufgemacht, die uns hier in Deutschland und Europa gelassener in die Zukunft blicken lassen. In anderen Teilen der Welt ist die Ausgangslage dramatisch anders. Viele Menschen werden eher auf sich gestellt sein und bleiben, weil sie die staatliche oder weltweite Solidarität nicht im Blick hat oder erreicht.
Wo hin mit uns, wenn wir dann nicht mehr ein noch aus wissen? Wenn wir dem Sprung in ein vorzeitiges Ende näher sind, als jenem in eine ungewisse, aber grundsätzlich mutmachende Zukunft?
Sacharja spricht davon, dass wir den Geist des Gebets empfangen werden. Kann das Gebet, die Zwiesprache mit Gott, wieder festen Grund unter unsere wankenden Füße bringen?
Ein Versuch scheint es mir wert, nicht weil jede Not beten lehren würde. Dies mag so sein. Im Gebet ereignet sich etwas. Wir gehen auf Abstand. Betrachten in Stille unser Leben, Umkreisen es mit Gedanken, die auch jenseits von Worten in unserem Geist hin und her wandern. Wir könnten auch sagen, im Beten erhebt sich der Geist über unser Sein, über alles, was uns freut und belastet. Beten ist das zärtliche Vertrauen, dass das Leben noch nicht an sein Ende gekommen ist.
Pfarrer Thomas Reppich, Region Oberstein