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An(ge)dacht: Hoffen, dass die Solidarität Bestand hat

Beim Einzug Jesu in Jerusalem wurde er gefeiert - und 5 Tage später ans Kreuz genagelt. Gibt es Analogien zu heute? Wir klatschen für Ärzte, Einzelhändler, Pflegekräfte...

Morgen ist Palmsonntag. Könnte ich ganz normal Gottesdienst feiern, würde ich vom Einzug Jesu in Jerusalem erzählen. In der Bibel steht, dass Jesus in die Stadt kommt und von einer begeisterten Menge jubelnd empfangen wird. Da wird geklatscht und gesungen! Ein Loblied auf Jesus, weil er Menschen heilt, weil er tröstet und hilft, weil er der langersehnte Retter ist. Die Anerkennung und die Begeisterung für ihn scheinen grenzenlos zu sein.

Auch bei uns wird im Moment viel gejubelt und geklatscht. Für Pflegekräfte und Ärzte, für Verkäuferinnen und Verkäufer, Bäcker, Metzger und andere sogenannte systemrelevanten Personen. Ich finde das toll! Anerkennung tut jedem gut, gerade denen, die im Moment besonders gefordert sind und dafür sorgen, dass der Rest der Bevölkerung hat, was gebraucht wird. Allerdings, tun diese Berufsgruppen das nicht auch sonst? Pflegepersonal und Arbeitskräfte im Einzelhandel sind schon immer stark gefordert und dass sie keinen angemessenen Lohn bekommen, ist ja auch nicht neu.

Die Arbeitszeiten von Ärzten und Ärztemangel sind auch schon lange ein Thema. Dass die Coronakrise ein Bewusstsein dafür schafft, wie wichtig es ist, die Bäcker, Metzger und den Einzelhandel vor Ort zu unterstützen, ist eine positive Begleiterscheinung dieser Pandemie. Doch ich frage mich, wie lange hält die Begeisterung der Menschen an? Werden Lob und Anerkennung über das Ende dieser Krise hinaus Bestand haben?

Jesus hat man schon fünf Tage nach dem begeisterten Empfang ans Kreuz genagelt. Nur wenige sind ihm treu geblieben, der Rest hat leider schnell vergessen, was Jesus alles für sie getan hat, warum sie ihm zugejubelt haben. Bleibt zu hoffen, dass die Solidarität, die in diesen Tagen von den Balkonen heruntergeklatscht und -gejubelt wird, diese Krise überlebt. Und dass die berechtigten Ansprüche der betroffenen Berufsgruppen nach der Krise nicht einfach ans Kreuz genagelt werden.

Ira Köhler,

Pfarrerin in den Ev. Kirchengemeinden Birkenfeld und Nohen