Ich höre oft Klagen über so viele Veränderungen. Und dass es immer schlimmer würde. In unseren Evangelischen Gemeinden. Im Bistum Trier. In unserem Land. Früher habe ich mir das verständnisvoll angehört. Es verändert sich ja auch viel. Seit ein paar Wochen bin ich da vorsichtiger geworden! Ist das wirklich ein Problem unserer Zeit?
Schlüsselerlebnis war eine Veranstaltung, die wir in unserer Kirche im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz abgehalten haben. Thema in diesem Jahr: „Heimat-en“. Zuerst haben wir einen Film über unsere Region aus dem Jahr 1914 gezeigt. Dann einen Brief des Baumholderer Pfarrers verlesen, „an die tapferen Helden im Krieg“ 1915 geschrieben. Nur ein Jahr später war alles anders! Dann haben wir Bilder aus den 20er und 30er Jahren in Baumholder angeschaut: Die letzte Postkutsche, die ersten Postbusse. Das Kurhotel Bier – Baumholder war für einige Jahre Luftkurort.
Mit dem Bau des Truppenübungsplatzes 1937/38 war damit Schluss. Der 2. Weltkrieg tobte, dann der Wiederaufbau, die Bars der 50er und 60er Jahre. Wer um 1900 geboren wurde, hat 50 oder 60 Jahre später seine Heimat nicht mehr wiedererkannt! Welche ungeheuren Veränderungen haben unsere Vorfahren erlebt! Wer sich das vor Augen führt, müsste mit seinen Klagen vorsichtiger sein.
Heute vor 30 Jahren ist die Mauer gefallen. Was hat das alles an Veränderungen für Menschen in der ehemaligen DDR mit sich gebracht. An den Folgen arbeiten wir immer noch. Heute vor 81 Jahren wurden in der Reichsprogromnacht Menschen wegen ihrer Abstammung verfolgt und schließlich ausgelöscht. Die Folgen wirken ebenfalls bis heute! Mir scheint: Veränderung hat es immer gegeben. Sie ist die einzige Konstante. Und nur weil es uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten ziemlich gut ging, haben wir kein Anrecht auf Stillstand. Veränderung ist mühselig – keine Frage. Und vorher weiß man nicht, wohin das Neue führt. Bei anderen ist das oft leichter zu durchschauen: Das Versprechen von alter Größe und Unabhängigkeit des Empires ist für viele Briten verlockend. Aber es ist eine Illusion. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Die Welt hat sich radikal verändert.
Statt Klagen über Veränderungen ist etwas anderes viel wichtiger: Die Frage, wo stellen wir uns auf den Wechsel ein? Weil es um Freiheit und Menschlichkeit geht. Wie beim Mauerfall. Und wo verweigern wir uns, weil es um Unmenschlichkeit, Gier oder Machtstreben geht? Siehe im 3. Reich. Zugegeben, das ist nicht immer leicht zu durchschauen. Ich würde mir mehr Mut wünschen. Und weniger Klage. Und ehrliche Diskussionen. Gerade auch mit Andersdenkenden. Paulus schreibt im 1. Korintherbrief, Kap. 3: „Alles ist euer... Welt oder Leben oder Tod, Gegenwärtiges oder Zukünftiges, alles ist euer, ihr aber seid Christi. Christus aber ist Gottes.“ Das ist übrigens mein Konfirmationsspruch, der mir zugeteilt wurde.
Ich muss gestehen: Das mit dem „Zukünftigen“ habe ich bisher überlesen.
Burkard Zill, Ev. Kirchengemeinde Baumholder