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Nachrichtenarchiv

An(ge)dacht: Ein Stück Zuversicht und Kraft

Ohne Corona hätte Diakon Wilfried Ulrich den Juli mit Jugendlichen in der Camargue verbracht. Und ihnen die Geschichte der Hugenottin Marie Durand nähergebracht.

Es ist Ende Juli geworden. Und wir sollten zurück sein aus dem Süden, aus Aigues-Mortes Und vom Strand von L’ Espiguettes . Aber wir haben Corona und wir waren in Heiligenbösch! Eine super Freizeit mit viel draußen und wenig Kontakt.

"Ab in den Süden und der Sonne hinterher..." Ein paar von uns klingt der Sound noch in den Ohren. Mit diesem Slogan haben wir geworben, für diese Tour. Aigues-Mortes, ein eigentlich ganz verschlafenes Städtchen, im Herzen der kleinen Camargues. Eigentlich ganz verschlafenen, wenn im Sommer die Touristen nicht sind. Im Sommer 1981 war ich zum ersten Mal dort. Meine Kirchengemeinde veranstaltetet in der Nähe eine Ferienfreizeit für die Leute, die in den Jugendkreis gingen und für solche, die das mit der Kirche mal ausprobieren wollten und für die, die einfach in die Sonne und ans Meer wollten. Ich habe mich gleich in der ersten Woche in die Region verliebt und bin ihr bis heute treu geblieben. Nicht wegen des tollen Meeres mit dem feinen Sandstrand und dem ewig guten Wetter.

Nicht wegen des tollen Essens mit Einschlägen aus der französischen Küche, das uns das Ehepaar aus unserem Nachbardorf ehrenamtlich jeden Tag zauberte, und nicht wegen der Ausflüge, die wir in die Umgebung machten.

Ein einziger Ausflug hat mich bis heute verändert und noch heute berichte ich, wenn ich kann, von diesem Erlebnis. Leider ging es diesen Sommer nicht, die aktuellen Umstände haben uns so weit nicht reisen lassen.

Ich war also vor rund 40 Jahren zum „Musée du Désert“, unweit der Städte Alès und Nîmes, am Fuße der Cevennen, unterwegs. In dem Museum wird die Geschichte und das Schicksal der französischen Protestanten (Hugenotten) in der Zeit zwischen 1685 und 1787 beschrieben. Protestantisch sein war dort und zu dieser Zeit verboten. Es gab aber Sympathisanten der Protestanten, die ihre Freunde bei sich versteckten. Die Verstecke und weitere Artefakte aus dieser Zeit, Zeugen des Kampfes um die Freiheit des Glaubens, werden dort ausgestellt.

Das allein war es aber nicht, was mich bis heute fasziniert.  An diesem Tag kamen wir auch noch nach Aigues-Mortes - und dort hatte man genau zwei Möglichkeiten: Shoppen und Eisessen oder ins Museum der Stadt, die Stadtmauer und den Turm besichtigen. Ich war neugierig geworden und wollte mehr über die Geschichte der Protestanten hören. Und tatsächlich, es wird dort die Geschichte der Marie Durand erzählt. 18-jährig wird Sie 1730 inhaftiert und erst 38 Jahre später wieder frei gelassen. Immer wieder wurde Ihr die Freiheit versprochen, sie sollte nur zum Katholizismus konvertieren. Dies tat sie bis zum bitteren Ende nicht. Sie blieb standhaft bis zum Schluss und Ihrem Glauben treu. In ihrer Zeit im Gefängnis kümmerte sie sich um ihre Mitgefangenen und versuchte ihnen Kraft und Zuversicht zu spenden. Ihr Glaube verlieh ihr Kraft - und diese Kraft gab sie weiter an ihre Mitgefangenen: Menschen, die zu ihren Freunden wurden. Von dieser Kraft und der Beständigkeit erzähle ich normalerweise vor Ort am Turm, auf den Freizeiten, die der Kirchkreis dorthin veranstaltet. Heute hier mit diesen Zeilen. Ich wünsche mir für uns alle ein Stück von der Zuversicht und Kraft, die in Marie wohnte, um die aktuelle Situation innerhalb und außerhalb der Kirche, in dieser Zeit, mit der Kraft die im Glauben wohnt, zu meistern.

Wilfried Ulrich, Diakon und Synodal-Jugendreferent für den Kirchenkreis Obere Nahe