Sie sind hier: Kirche mit dir » Aktuelles & Termine » Nachrichtenarchiv

Nachrichtenarchiv

An(ge)dacht: Manche Schmerzen heilen nicht

In seinen Gedanken zum Volkstrauertag wird Pfarrer Günter Lötzbeyer klar: Wir hatten uns zwar eingerichtet auf eine lange Zeit im Frieden. Doch diese sind nun vorüber.

Wir gedenken: Unzählige Menschen haben in den beiden Weltkriegen ihr Leben verloren: Männer, Frauen und Kinder. Die Folgen der Kriege haben Europa auf viele Jahre schwer gezeichnet. Familien wurden auseinandergerissen, Kinder wuchsen ohne Väter auf, Eltern waren ohne Söhne. Unzählige Menschen haben Heimat und Zuhause verloren. Die großen Städte waren nicht mehr wiederzuerkennen. Menschen lebten und leben unter uns mit Verwundungen an Leib und Seele.

Wir gedenken: Auf viele, die das Grauen der Kriege überlebt hatten, traf zu, was die Dichterin Ricarda Huch schreibt:
 

Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen sich tiefer und tiefer ins Herz hinein, und während Tage und Jahre verstreichen,
werden sie Stein.
Du sprichst und lachst, wie wenn nichts wäre.
Sie scheinen zerronnen wie Schaum.
Doch du spürst die lastende Schwere bis in den Traum.
Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Helle, die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber in meinem Herzen ist eine Stelle, da blüht nichts mehr.


Wir erinnern an die Kriege und ihre Opfer. Wir hatten uns eingerichtet, dass seit dem letzten Krieg in Europa viel Zeit vergangen war.
Die unmittelbar Betroffenen, die verwitweten Frauen, deren Männer in Russland geblieben waren, die Eltern, die ihre Söhne im Feld, die jungen Mütter, die ihre Kinder bei Bombenangriffen und auf der Flucht sterben sahen, - sie waren im Gang der Zeit selbst von dieser Erde gegangen.

Wir sind im Frieden aufgewachsen, und der Krieg war eine Erzählung aus dunkler, schlimmer Zeit. Wir glaubten, es sei doch jetzt Frühling. Verständigung und Wandel, Annäherung und Partnerschaft.Nun hören und sehen wir täglich grauenvolle Bilder aus der Ukraine und aus Israel: Hören im O-Ton das Sirenengeheul und sehen die Folgen der Bombenangriffe. Menschen steht die Angst im Gesicht, und kaum zu ertragen, noch auf die Distanz eines Filmberichts der Anblick von Verwundeten.

Der Krieg ist zurück in Europa. Tag für Tag werden neue Schmerzen geboren, erleiden Menschen Traumata, die sie ein Leben lang begleiten werden. Wir wissen es aus dem Erleben der Generationen vor uns: Manche Schmerzen heilen nicht. Sie bleiben. Solange die im Leben sind, so alt sie auch werden, die sie erlitten haben. In ungezählten Menschenseelen wird der Schmerz und die Trauer zu Stein, zur lastenden Hypothek für die Zukunft unseres Kontinents. Vielleicht betroffener als in manchen Jahren zuvor sorgen wir uns um den Frieden. Um das Leben von Menschen. Wir erkennen neu und mit Schrecken: Der Frieden ist zerbrechlich. Der Blick in unsre Welt lehrt es uns schmerzlich. Manche Schmerzen sind nicht heilbar. Ach, dass nicht täglich neue Opfer und neue Schmerzen hinzukämen.

Pfarrer Günter Heinrich Lötzbeyer, Kirchengemeinden Pfeffelbach und Burg Lichtenberg
 

Bildnachweis: Stefan Keller/Pixabay.com