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Nachrichtenarchiv

An(ge)dacht: Wenn Grundfeste wanken

In ihren Gedanken zum Reformationstag am kommenden Dienstag widmet sich Pfarrerin Christine Wild den Parallelen unserer heutigen Zeit und der Zeit Martin Luthers.

Auch wenn für viele am 31. Oktober inzwischen Halloween gefeiert wird: In evangelischer Tradition wird an diesem Tag an die Reformation erinnert. Am Vorabend des Allerheiligentags 1517 nagelte Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg – Twitter im Mittelalter. Damit protestierte er unter anderem gegen die Praktik des Ablasshandels: Gegen Geld konnte man sich von seinen Sünden freikaufen.

Mit seiner Kritik traf er ins Mark der Gesellschaft. In einer Zeit der großen Umbrüche wie der Entdeckung Amerikas, der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und anderen Innovationen erschütterte er nachhaltig die Autorität der Kirche. Er lehrte die Freiheit eines Christenmenschen, doch gleichzeitig rüttelte er damit an den Grundfesten des bisherigen Glaubens. 

Wie Martin Luther leben auch wir in einer Zeit des Umbruchs und der Veränderung. Wie im Mittelalter die Pest, so brachte Corona unsere Welt ins Wanken; Kriege treten wieder in unser Blickfeld und erschüttern uns mit ihrer Grausamkeit. Und auch uns stellt sich wie damals die Frage: Was ist Wahrheit? In Zeiten von Fake-News und KI, die ganz einfach neue „Realitäten“ schaffen kann, ist es nicht leicht, einen klaren Kompass zu behalten.

In einer Zeit, in der die Angst vor allem Fremden geschürt wird, wo Umdenken und Richtungswechsel in vielfältigen Fragen angesagt ist, gilt es, neue Ideen zu entwickeln und die Zukunft mit Optimismus in den Blick zu nehmen. Einfache Lösungen für diese Fragen sind eben oft zu einfach. Deshalb möchte ich am 31. Oktober auch lieber überlegen, worauf ich meine Hoffnung setzen kann, statt mich vor den Monstern und Untoten von Halloween zu fürchten.

Luther hat den Gott der Liebe, des Verzeihens und des Friedens wieder an die Oberfläche geholt. Ich will daran festhalten, dass Gott unsere Augen für unsere Mitmenschen und unsere Welt öffnen kann und uns einen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit schenken will, damit wir den Mächten, die mit unserer Angst spielen, ins Gesicht lachen können.

Pfarrerin Christine Wild, Kirchengemeinde Idarbachtal