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An(ge)dacht: Glauben ist nur ein anderes Wort für Vertrauen

Immanuel Kant, einer der größten Philosophen, wollte Schluss machen mit dem Aberglauben in seiner Zeit. Das ist, so stellt Pfarrer Karl-Martin Unrath, fest, bis heute nicht gelungen.

Schluss mit dem „Blödsinn des Aberglaubens“. Darum ging es ihm, Immanuel Kant, dem Philosophen der Aufklärung. Vor 300 Jahren, am 22. April 1724, ist er geboren. „Aufklärung“, so Kant, „ist die Befreiung vom Aberglauben.“ Das Mittel dazu: Wissenschaft und Vernunft.

Allzu erfolgreich war diese Befreiung nicht. Der „Blödsinn des Aberglaubens“ grassiert wie im tiefsten Mittelalter. Beschleunigt und verstärkt wurde er durch die Pandemie der letzten Jahre. Wie in einem Topf haben sie da im Netz miteinander geköchelt: Impfskepsis und Naturheilkunde mit esoterischen Geheimlehren; Spiritismus, Okkultismus und Astrologie mit allen möglichen Verschwörungsmythen.

Mag man der einen oder anderen dieser „Zutaten“ noch zugestehen, dass sie zumindest interessante Fragen stellt, ergeben sie als Eintopf doch ein ziemlich giftiges Gebräu. Gift für den inneren Frieden. Gift für unsere Demokratie. Eine soziologische Studie kam 2020 zu dem Ergebnis, dass es einen offensichtlichen Zusammenhang gibt zwischen Aberglauben, Verschwörungsmythen und Rechtsradikalismus. Konkret: Wer gegen Viren lieber die Bude auspendelt, als sich impfen zu lassen, weil er glaubt, dass uns beim Impfen Chips implantiert werden, um uns zu kontrollieren, der hält es dann auch leicht für richtig, gleich das ganze „System“ zu zerstören.

Aberglauben heißt wörtlich so viel wie: hinter, jenseits, abseits des Glaubens. Und Glauben ist nur ein anderes Wort für Vertrauen. Aberglauben ist tiefes Misstrauen gegen Gott und die Menschen. Und Misstrauen ist ein Gift, das alles zersetzt. Vernünftig wäre es, das Misstrauen gegen alles und jeden einfach mal sein zu lassen und einander mit einem Vertrauensvorschuss zu begegnen. Ja, auch den Politikern.

Immanuel Kant war übrigens kein gläubiger Mensch im herkömmlichen Sinne. Aber er schätzte am Glauben die Hoffnung, die zu ihm gehört. Hoffnung führt aus der Enge in die Weite. Diesen Raum braucht es, um vernünftig zu denken und zu handeln. Damit Schluss ist mit dem „Blödsinn des Aberglaubens“.

Militärpfarrer Karl-Martin Unrath