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Blog & Schatzkiste

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September

In unserem neuen Blog-Beitrag erzählen wir, wie uns ein klassisches französisches Chanson tief berührte und zum Nachdenken brachte. Wie genau, das ist in unserem neuen Blog-Beitrag nicht nur zu lesen, sondern auch zu hören!

Ein sonniger Morgen Anfang September 2023. Im Radio läuft passend zur Jahreszeit „Septembre“ ein zartes, lyrisches Chanson der französischen Sängerin Barbara. „Jamais la fin d'été n'avait paru si belle …“, niemals erschien das Ende des Sommers so schön … singt sie. Doch die stimmungsvolle erste Zeile aus dem Jahr 1965 hat für heutige Ohren einen bitteren Beigeschmack. Denn so schön – und so heiß – wie in diesem Jahr war das Ende des Sommers wirklich selten. Vor rund 60 Jahren deuteten die sonnigen Septembertage an, dass die „vignes de l’année, die Weinstöcke des Jahres, vortreffliche Trauben tragen würden – denn damals reiften sie noch in der Altweibersommersonne bis zur Ernte im Oktober. Heutzutage beginnt die Lese aufgrund der Folgen des Klimawandels immer früher. Vor dem Hintergrund, dass anderswo in den Medien Landwirtschaftsverbände vehement Antworten von der Politik auf die geänderten Bedingungen fordern und schon seit längerem intensiv nach hitzeresistenten Rebsorten geforscht wird, verlieren die schönen Worte ihre Unschuld.

Und doch: Die melancholisch-kraftvolle Melodie berührt uns, lässt uns die Realität vergessen, will uns mitnehmen in eine andere, eine schwärmerisch-schöne Welt.

Ist das legitim?

Ist es in Ordnung, fragen wir uns, wenn man die Schönheit der Schöpfung einfach nur genießt, ohne in Gedanken bei den inzwischen viel zu vielen Opfern von Hitzewellen, Überschwemmungen und anderen Wetterkatastrophen zu sein? Flüchten wir uns in eine Traumwelt? Was sollten wir tun und was sollten wir lassen, damit die Schönheit der Natur erhalten bleibt – oder (oft genug schlimme Realität) wiederhergestellt werden kann?

Auch im Chanson gibt es einen Konflikt. Dort passt das einmalig schöne Spätsommerwetter nicht zum drohenden Abschied der „hirondelles“, der Schwalben, die sich schon zum Aufbruch versammeln. Und so ist dann auch ein Abschied, die Trennung eines Paares, das sich noch liebt, das Thema, um das es in dem Lied geht. „Quel joli temps pour se dire au revoir“ (welch schöne Zeit, um sich auf Wiedersehen zu sagen). Die Atmosphäre des ungewöhnlich schönen Sommerendes verstärkt die Wehmut über das bevorstehende „Adieu“. Doch im „September“ von Barbara gibt es auch Hoffnung. Am Ende freut man sich mit ihr auf den nächsten „printemps“, wenn die Maiblumen so schön wie noch nie sein werden und der Geliebte mit den Schwalben zurückkehrt …

Persönlich und als Christen sind wir dankbar für Momente der Verzauberung, lassen uns immer wieder gern von schönen Dingen wie dem Chanson von Barbara betören, aber wir spüren auch die Größe, ja die Last unserer Verantwortung – so unschuldig wie Barbara können und dürfen wir nicht darauf hoffen, dass im nächsten Mai alles gut sein wird. Dafür reichen Worte nicht mehr aus – seien sie auch noch so schön.

Schatzkiste

Für alle, die schon sehnsüchtig auf den Link zum Chanson warten – hier ist er: Barbara - Septembre (Audio Officiel) - YouTube
Und zum Mitlesen oder für eine eingehendere Beschäftigung – hier der Liedtext im Original und in der deutschen Übersetzung: Barbara - Liedtext: Septembre (quel joli temps) + Übersetzung auf Deutsch (lyricstranslate.com)

Übrigens:

Barbara (gebürtige Monique Serf) wurde 1930 als Kind einer jüdischen Familie in Paris geboren. 1940 flohen die Eltern mit Monique und ihren Geschwistern aus dem von deutschen Truppen besetzten Teil Frankreichs und die Familie hielt sich bis 1944 im Südosten Frankreichs versteckt. Trotz dieses prägenden Erlebnisses nahm die aufstrebende Künstlerin 1964 ein Gastspielangebot des Jungen Theaters Göttingen an. Ihre Erlebnisse in Göttingen schildert sie im Chanson „Göttingen“, das zur Völkerverständigung zwischen Frankreich und Deutschland beitrug.

Barbara - Göttingen (1967) - YouTube

Und auch hier (oder gerade hier) lohnt sich eine Beschäftigung mit dem Text: Barbara - Liedtext: Göttingen (Deutsche Version) + Übersetzung auf Französisch (lyricstranslate.com)

 

Es grüßen herzlich

Ihre/Deine

Jutta Walber & Sascha Heidrich