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Interview: Kostbarer als Edelsteine - Ehrenamt im Kirchenkreis

2020 ist das Projekt "Kostbarer als Edelsteine - Ehrenamt im Kirchenkreis Obere Nahe" gestartet. Ziel ist es, optimale Rahmenbedingungen für das Ehrenamt zu schaffen.

Idar-Oberstein. Ohne freiwilliges Engagement ist unsere Gesellschaft kaum vorstellbar. Menschen engagierten sich ehrenamtlich auch in den unterschiedlichsten Bereichen von Kirche und Diakonie, etwa in der Flüchtlingshilfe, der Kinder- und Jugendarbeit, der Seniorenbetreuung, der Hospizarbeit oder bei den Tafeln, in den Gemeinden oder diakonischen Einrichtungen. Auch im Kirchenkreis Obere Nahe hat das Ehrenamt einen hohen Stellenwert. Zum Jahresbeginn 2020 startete das von der GlücksSpirale geförderte Projekt „Kostbarer als Edelsteine – Ehrenamt im Kirchenkreis Obere Nahe“. Kern des Projektes ist eine Ehrenamtskoordination: Stärkung und Entwicklung des Ehrenamtes durch den Auf- und Ausbau einer engagementfördernden Infrastruktur.

Um Ehrenamt sichtbar zu machen und zu zeigen, welche Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements bestehen, wurde das folgende Interview mit Frau Christine Bitterlich (CB), die sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Diakonischen Werk des Kirchenkreises Obere Nahe engagiert, am 26.10.2020 von der Ehrenamtskoordinatorin, Frau Elfi Schug (ES), geführt.

 

ES: Liebe Frau Bitterlich, wie lange sind Sie jetzt schon ehrenamtlich im DW tätig?

CB: Seit 2007 komme ich jeden Montagvormittag ins Diakonische Werk.

 

ES: Das ist eine sehr lange Zeit. Wie kam es damals dazu?

CB: Im Gemeindebrief unserer Kirchengemeinde erschien mehrmals ein Aufruf, das Diakonische Werk suche Ehrenamtliche für die Begleitung niedrigschwelliger Angebote wie der Hilfestellung beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen. Daraufhin habe ich Kontakt aufgenommen und schon kurze Zeit später mein Ehrenamt begonnen.

 

ES: Was war Ihre Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren?

CB: Ich wollte anderen Menschen helfen. Mir selbst geht es gut. Ich weiß jedoch aus eigener Erfahrung – ich kam in den 80er Jahren aus der DDR in die Bundesrepublik - wie kompliziert das Leben in einem bisher unbekannten Gesellschaftssystem sein kann. Aber auch viele Menschen, die schon immer hier gelebt haben, sind mit der zunehmenden Bürokratie und der damit verbundenen Flut an Formularen einfach überfordert. Sie sind kaum in der Lage, Sozialleistungen, auf die sie einen Anspruch haben, zu beantragen und geltend zu machen. Dabei will ich sie unterstützen.

 

ES: Wurde zu Beginn festgelegt, wie Ihre ehrenamtliche Mitarbeit aussehen sollte?

CB: Ja, es wurde eine Vereinbarung getroffen über den zeitlichen Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit sowie deren Inhalt.

 

ES: Worin genau besteht Ihre ehrenamtliche Tätigkeit?

CB: Ich gebe Hilfestellung beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen und arbeite der Schuldnerberatung zu durch Sichtung und Sortieren von Unterlagen.

             

ES: Wie wurden Sie vorbereitet und in Ihre ehrenamtliche Tätigkeit eingeführt?

CB: In der Vereinbarung zur ehrenamtlichen Mitarbeit wurde neben dem Inhalt und Umfang des Ehrenamtes auch festgehalten, wer mein Ansprechpartner bei Fragen und evtl. Problemen ist. Ich habe dann einfach angefangen.

 

ES: Hat sich diese Tätigkeit im Laufe der Zeit verändert?

CB: Ja, durchaus. Das Aufgabengebiet hat sich ständig erweitert und qualitativ weiterentwickelt. Das Spektrum reicht inzwischen von der Beantragung von Kindergeld, Kinderzuschuss, Elterngeld, Unterhaltsvorschuss, BaföG über Leistungen des Jobcenters oder Sozialamtes wie Arbeitslosengeld II, Grund-sicherung, Wohnungserstausstattung, Wohngeld, Rundfunkgebührenbefreiung bis zur Aktualisierung von Rentenverläufen.  Auch der Personenkreis der Ratsuchenden hat sich verändert. Inzwischen hat die überwiegende Mehrzahl der Klienten einen Migrationshinter-grund. Diese haben durch ihre völlig andere Sozialisation und auch aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse oft Schwierigkeiten, die bürokratischen Anforderungen hier zu bewältigen und ihre Angelegenheiten zu regeln.  

 

ES: Welche Unterstützung erfahren Sie, wenn es zu Schwierigkeiten in Ihrer Tätigkeit kommt?

CB: Es sind immer hauptamtliche Mitarbeiterinnen in der Nähe, falls es zu Problemen käme oder sich eine Beratungssituation kritisch entwickeln würde, was bisher jedoch noch nie der Fall war. Die Hauptamtlichen stehen auch für Rückfragen zur Verfügung.

 

ES: Welche positiven Erfahrungen haben Sie in Ihrer langjährigen Arbeit gemacht?

CB: Die Menschen, die ich in meinem Ehrenamt unterstützt habe, bringen mir größtenteils sehr viel Dankbarkeit entgegen. Die positiven Rückmeldungen und die Gewissheit, dass ich vielen von ihnen helfen konnte, ihre Rechte im sozialen Bereich zu realisieren, bedeuten mir viel.

 

ES: Was haben Sie eher negativ empfunden?

CB: Manchmal habe ich das Gefühl, dass Klienten Hilfe ausnutzen und Bequemlichkeit die echte Notlage hinter dem Anliegen ist.

 

ES: Gab es besondere Erlebnisse?

CB: Ich habe einige der ratsuchenden Menschen über einen langen Zeitraum begleitet und konnte ihre persönliche, familiäre und auch berufliche Entwicklung miterleben. Dies ist für mich eine wirklich besondere Erfahrung.

 

ES: Welche Erwartungen hatten Sie an Ihr Ehrenamt und inwieweit wurden diese erfüllt oder enttäuscht?

CB: Als ich das Ehrenamt übernommen habe, hatte ich keine besonderen Erwartungen. Ich wollte nur mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln helfen – und das mache ich nun seit vielen Jahren.

 

ES: Würden Sie sagen, dass Sie durch das Ehrenamt persönlich etwas gewonnen haben?

CB: Durchaus! Ich glaube, dass ich mit meiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Diakonischen Werk eine sinnvolle Arbeit leiste. Darüber hinaus habe ich einen Blick in das Gesamtspektrum unserer Gesellschaft gewonnen, was eine große Bereicherung für mich bedeutet und meine Sichtweise auf die Gesamtgesellschaft real verändert hat.  

 

ES: Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Ehrenamt von den Hauptamtlichen für wichtig erachtet wird?

CB: Ja, das glaube ich schon. Es herrscht ein gutes Betriebsklima, ich fühle mich dem Team zugehörig.

 

ES: Fühlen Sie sich von ihnen anerkannt und wertgeschätzt?

CB: Ja, das schließe ich aus dem kollegialen, gleichberechtigten Miteinander.

 

ES: Würden Sie sich wünschen, dass Ihre ehrenamtliche Arbeit stärker in der Öffentlichkeit gewürdigt wird?

CB: Für mich selbst brauche ich keine öffentliche Würdigung. Wenn jedoch durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden könnte, dass sich mehr Menschen ehrenamtlich engagieren, würde mich das natürlich sehr freuen.

 

ES: Frau Bitterlich, ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch und hoffe, dass Sie uns und die ratsuchenden Menschen, die zu uns kommen, noch lange unterstützen werden.


 

Fragen zum ehrenamtlichen Engagement beantwortet Ihnen gerne:

Frau Elfi Schug
Diakonisches Werk des Kirchenkreises Obere Nahe
– Ehrenamtskoordination –

Pappelstraße 3
55743 Idar-Oberstein

Homepage des Diakonischen Werkes (Link auf interne Seite)

Telefon: 06781 5163 590
E-Mail: elfi.schug@obere-nahe.de


 

Hilfestellung bei Korrespondenz mit Ämtern und Verwaltungen: Christine Bitterlich kommt ehrenamtliche einmal pro Woche ins Diakonische Werk und hilft Menschen, Anträge und Formulare auszufüllen.
Das Projekt Ehrenamtskoordination wird von der GlücksSpirale gefördert. Bildnachweis: Logo GlücksSpirale