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An(ge)dacht zum Karfreitag: Musste das sein, Gott?

Immer wieder beschleicht uns an Karfreitag der Gedanke: Wenn Gott Liebe ist, warum der Spott, der Hohn, der Tod? Gedanken (und Antworten) von Pfarrerin Denise Roth.

Liebe Gemeinde,

 

Wieder stehen wir an Karfreitag vorm Kreuz. Wieder sträuben sich die Gedanken:

Musste das sein, Gott? Ging das wirklich nicht anders?

So viel Spott und Hohn und böse Worte? So viel Gewalt und Leid? So vieles, das am (Gott)Vertrauen rüttelt? So vieles, das uns sprachlos, aber voll Fragen zurücklässt?

So froh wir im Kindergottesdienst schon von der Auferstehung gehört und gesungen haben, so gerne würde ich dem Karfreitag mit seinem Geschehen aus dem Weg gehen.

Aber das Kreuz steht nun einmal da, wo der schmale Weg zum leeren Grab hinführt.

Ob wir wollen oder nicht, wir kommen nicht drum rum. Wir müssen innehalten und das Kreuz ansehen. Müssen uns seiner Gewalt und vorläufigen Endgültigkeit stellen. Und können erst dann den neuen und freien Weg hinter dem Kreuz betreten…

Heute nun stehen wir aber erstmal vor dem Kreuz.

Sind mit einer Seite unseres Gottes konfrontiert, die uns so fremd ist.

Wenn Gott die Liebe ist, warum dann kein anderer Weg? Wenn Gott alles vermag, warum hat er dann keine andere Möglichkeit gefunden? Wenn er allmächtig ist, warum ist ihm dann nichts anderes eingefallen?

Dass uns diese Fragen durch den Kopf gehen können, zeigt aber, ehrlich gesagt, schon eine der Antworten auf das Warum.

Zu reinen Marionetten Gottes taugen wir Menschen nicht – zu viel freier Wille, zu viel Freiheit im Denken und Tun. Und genau das macht uns Menschen aus – und die Beziehung Gottes zu uns: kein Zwang, keine Fremdbestimmung. Gott nimmt uns ernst!

 

Gott nimmt aber auch sich selbst ernst!

Da stand er nun:

Neben Adam und Eva und freute sich über seine Ideen und seine Schöpfung.

Neben ihnen, als er sie aus dem Paradies verbannen musste, und schaute traurig auf diese Entwicklung.

Neben Abraham unterm Sternenzelt und versprach ihm hoffnungsvoll, seine Nachkommen zu einem großen Volk zu machen.

Neben ihm, als das Verhalten dieser Nachkommen nicht ganz so aussah, wie erhofft.

Neben Noah an der Reling der Arche und weinte, weil dieser todesreiche Neufang nötig war.

Neben ihm unterm Regenbogen und beteuerte sehnsuchtsvoll, nie wieder diesen Weg zu wählen.

 

Da stand Gott nun. Seit dem Regenbogen.

Heftete den immer wieder an den Himmel, erinnerte die Menschen und sich an sein Versprechen.

Schüttelte wieder und wieder den Kopf über seine Menschen und das, was diese an wenig bis gar nicht Gutem mit ihrem freien Willen anstellten.

 

Das stand Gott nun.

Nahm sich selbst ernst: er wollte das Leben, er wollte das Gute, er wollte es für und mit seinen Menschen. Und musste doch merken: ohne sein Eingreifen wird das so einfach nix.

 

Da stand Gott. Mit seiner Liebe und all dem Möglichen und Unmöglichen, das er in seiner Allmacht vermag. Und konnte doch nicht anders als sich mit seinem Sohn auf den Weg nach Golgatha zu begeben. Konnte nicht anders als ihm und sich dieses Kreuz aufzuladen und damit alle menschliche Schuld. Konnte nicht anders als mit seinem Sohn den letzten endgültigen Tod zu sterben und die erste Auferstehung ins ewige Leben zu erleben.

 

Da stand Gott. Mit schwerem Herzen. Weil er nicht anders konnte, wenn er sich selbst ernst nimmt.

Da stand Gott. Mit schwerem Herzen.  Weil er dem Kreuz nicht ausweichen konnte und ihm das Leiden seines Sohnes das Herz zerriß.

Da stand Gott. Mit schwerem Herzen. Weil er nicht wegsehen und weggehen konnte. Sondern mit seinem Sohn ausharren wollte.

 

Und in dem Bild ist Gott gar nicht mehr so fremd. Als Vater, der mit leidet und ausharrt, obwohl er es kaum aushalten kann.

So wie in dem Bild, das nach dem Erdbeben in der Türkei um die Welt ging. Das einen verzweifelten Vater zeigt, der zusammengekauert in den Trümmern seines Hauses sitzt und regungslos vor sich hinschaut. Er hält mit versteinertem Blick die Hand seiner verschütteten Tochter fest. Die Hand, die das einzige ist, das man von dem toten Teenager noch sieht. Er harrt neben ihr aus und kann sie einfach nicht loslassen, obwohl er spürt, wie sie immer kälter wird. Ein Bild, das anrührt und sprachlos macht. Ein Bild, das in aller traurigen Deutlichkeit die unendliche Liebe eines Vaters zeigt.

 

Wenn Gott – damals am ersten Karfreitag – so mit Jesus mitgelitten hat und ausgehalten hat. Wenn er ebenso getroffen und verzweifelt war. Wenn seine Miene vor Schmerz so versteinert war. Wenn seine Hand die seines Sohnes ebenso bedingungslos gehalten hat.

Dann ist es ein Bild, das mir den Karfreitag näher bringt. Den ich in seiner vollen Härte nicht verstehe. Aber hinter dem ich so Gottes Liebe spüren kann.

Dann ist es ein Bild, mit dem ich mich dem Kreuz stellen kann. Angelehnt an Gottes Schulter, der da ebenso fassungs- und sprachlos steht wie wir.

Dann ist es ein Bild, mit dem der vorsichtige Blick hinter das Kreuz und der zögernde Schritt um das Kreuz herum möglich ist. Weil Gottes Liebe daran vorbei weiterträgt. Zum offenen Grab am Ostermorgen.

 

Amen.