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An(ge)dacht: Niemand kann seinem Leben auch nur eine einzige Spanne zusetzen

Pfarrer Burkard Zill mit einem nachdenklichen Wort zum morgigen Totensonntag.

In der Bergpredigt lese ich einen erstaunlichen Satz: „Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge auch nur eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch müht.“ Warum sagt Jesus fast beschwörend etwas so völlig Offensichtliches? Am Ende des Kirchenjahres beschäftigen wir uns mit dem Unvermeidlichen: Ich werde sterben. Meine Tage sind gezählt, auch wenn ich diese „Zahl“ nicht kenne. Ich kann daran nichts ändern.

Wir wissen es schon. Aber handeln wir entsprechend? Mir kommt es oft so vor: Wenn wir unser Leben schon nicht verlängern können, dann versuchen wir stattdessen wenigstens so viel wie möglich hineinzustopfen. Wir wollen möglichst viel erleben. Noch mehr Urlaub. Noch mehr Kontakte. Mehr Anerkennung. Mehr mitnehmen. Mehr haben. Möglichst viel, möglichst lange.

Doch das Ganze ist ein Trugschluss. Statt zufriedener werden wir eher getrieben, gestresst, ruhelos und unzufrieden. Der Druck steigt. Mehr „drin“ im Leben heißt nicht automatisch mehr Leben! Es kann genau das Gegenteil eintreten.

Können wir wirklich glauben, dass dieses völlig durchschnittliche, begrenzte Leben genug ist? Dass in meinem Leben alles enthalten ist, was ich zu Zufriedenheit und Glück brauche. Mit allen Höhepunkten, bei aller alltäglichen Arbeit und Routine, mit allen dunklen Stunden. Es ist alles längst da.

Mein Eindruck ist vielmehr: Wir können es nicht wirklich glauben! Dabei ist das der Schlüssel zu Frieden und Glück. Wenn wir endlich aufhören, ständig zu suchen. Nach besser, mehr, schöner. Nach einem anderen Leben. Dann kommen wir in unserem Leben an und können dort zuhause sein. Dieses Leben ist vollständig. Mit allem Zauber und Geheimnis. Mit dem Unbegreiflichen.

Und noch eins: Wenn ich leben lerne, wenn ich erfahre, dass nichts fehlt, dann kann ich auch Abschied nehmen. Sterben lernen, heißt leben lernen.

Niemand kann seinem Leben auch nur eine einzige Spanne zusetzen. Das wäre völlig absurd und führt nur vom Leben weg. Jesus weist eindringlich darauf hin.

Goethe sagt es so:

Was machst du an der Welt? Sie ist schon gemacht,

Der Herr der Schöpfung hat alles bedacht.

Dein Los ist gefallen, verfolge die Weise,

Der Weg ist begonnen, vollende die Reise:

Denn Sorgen und Kummer verändern es nicht,

Sie schleudern dich ewig aus gleichem Gewicht.

                                               

 

Burkard Zill, Ev. Kirchengemeinde Westrich-Nahe

Pfarrer Burkard Zill