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Nachrichtenarchiv

An(ge)dacht: Ein neuzeitlicher Brauch wird 500 Jahre alt

Ein einheitliches Gesangbuch für die Gläubigen im Gottesdienst - wie so vieles andere auch, haben wir dies Martin Luther zu verdanken. 500 Jahre feiern wir in diesem Jahr. Das An(ge)dacht dazu kommt von Pfarrerin Christiane Bock.

Sommerfreizeit in Österreich. „Wer geht mit am Sonntag in die Kirche?", frage ich. Ein paar Freiwillige melden sich. Sie brauchen Punkte. Nach dem Gottesdienst kann ich mir die Frage nicht verkneifen: „Und was war anders als bei euch daheim?“ Antwort überraschend einstimmig: „Wir durften ja nicht singen!“ Ein Gastchor hatte allen Gesang in der Messe übernommen. Schade!

Das gemeinsame Singen als Teil des Gottesdienstes ist bei uns eine Selbstverständlichkeit, egal, ob die Lieder traditionell oder neu sind. Egal ob ein Chor unterstützt oder Instrumente oder Band neben der Orgel den Gottesdienst bereichern. Das war nicht immer so. Bis zur Reformation haben im Wesentlichen Mönche oder Nonnen den Messgesang ausgeführt. Das Volk blieb stumm. Es konnte ja kein Latein.

In diesem Jahr feiern wir 500 Jahre evangelisches Gesangbuch. Ein Gesangbuch gab es viele Jahre als Geschenk zur Konfirmation am Palmsonntag. Die Bibel gab es dann später bei der Trauung. Dass in der Kirche Gesangbücher ausgelegt sind zum Gebrauch im Gottesdienst, ist eher ein neuzeitlicher Brauch. Früher brachten alle Gläubigen ihr eigenes Gesangbuch mit. So auch heute noch in etlichen Teilen der Welt. Dass es überhaupt zu einem Gesangbuch gekommen ist, verdanken wir unter anderem Martin Luther selbst. Aus seinen Briefen kann man entnehmen, dass er ca. 1523 an Freunde und Musiker die Bitte richtet, doch Lieder für die wiederentdeckten Glaubensinhalte auf Deutsch zu schreiben bzw. zu vertonen. Es kam aber zunächst nichts zurück. Da hat er sich selber hingesetzt und beliebte Melodien mit eigenem Text unterlegt oder Gesänge aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen und Melodien angepasst.

Im Nürnberger „Achtliederbuch“ finden sich gleich vier Lieder von ihm. „Nun freut euch liebe Christen gmein“ singen wir heute noch. Viel öfter sein „Vom Himmel Hoch“. Der Erfolg des Büchleins hat auch andere beflügelt. Auch eine Frau, Elisabeth Cruciger, ist früh mit einem Lied vertreten. Und so sind die Gesangbücher im Laufe der Zeit immer umfangreicher geworden. Mal waren mehrstimmige Sätze abgedruckt, mal nur der Text. Immer aber haben diese Lieder die Menschen, die sie gehört und gesungen, in ihrem Glauben gestärkt und in ihrer Hoffnung sprachfähig gemacht und die Herzen aufleben lassen. Worte allein reichen nicht so weit und tief. Darum heißt es schon in der Bibel: Lehret und ermuntert euch mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern und singet dem Herrn in eurem Herzen.“

 Christiane Bock, Pfarrerin in den Kirchengemeinden Achtelsbach-Brücken, Leisel und Siesbach