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Tabuthema Schulden: Fotoausstellung gibt Betroffenen ein Gesicht

Fast 6 Millionen Menschen sind in Deutschland von Überschuldung betroffen. Eine Wanderausstellung, die in Birkenfeld Halt gemacht hat, gibt einigen von ihnen nun ein Gesicht.

Birkenfeld. Es ist ein ernstes Problem in unserer Gesellschaft, das allein in Deutschland fast 6 Millionen Bürger betrifft und trotzdem ein Tabuthema ist.  Die Wanderausstellung „Zwischen Mut und Verzweiflung“ rückt mittels eindringlicher Porträtaufnahmen Menschen in den Mittelpunkt, die mit Ver- oder Überschuldung zu kämpfen haben. Die Fotografien sind seit Montag in Gebäude 2 vor dem großen Sitzungssaal der Kreisverwaltung Birkenfeld zu sehen. Sie werden bis zum 30. September vom Diakonischen Werk des Kirchenkreises Obere Nahe noch an anderen Standorten in Nationalparklandkreis gezeigt. 

Ob Krankheit, Scheidung oder Arbeitslosigkeit: Es gibt viele Gründe dafür, warum das Leben eines Menschen aus der Bahn geworfen werden kann und die Finanzen aus der Kontrolle geraten, worunter dann meist die ganze Familie leidet. Wie sehr das Problem auch Menschen in unserem Kreis belastet, zeigt beispielhaft die Tatsache, dass die Schuldnerberatung des Diakonischen Werks in voriges Jahr Beratungsgespräche mit Menschen aus mehr als 500 Haushalten geführt hat – und die Tendenz leider steigend ist.

Bei der Ausstellungseröffnung am Montag stellte Landrat Miroslaw Kowalski klar, „dass es mir sehr wichtig erscheint, dass wir all jene, die an Ver- und Überschuldung leiden, nicht an den Rand der Gesellschaft drängen dürfen und ihnen nicht mit Vorurteilen begegnen sollten“. Deshalb er sich auch gern bereit erklärt, die Kreisverwaltung zum Startpunkt für „Zwischen Mut und Verzweiflung“ zu machen. Diese wurde dem Diakonischen Werk Obere Nahe als Leihgabe vom Diakonischen Werk des Kirchenkreises Wied zur Verfügung gestellt. 

Der Fotograf Mathias Richter hat auf den Aufnahmen, die auf Roll-ups abgedruckt sind, Menschen porträtiert, die von Überschuldung betroffen sind. In den Begleittexten lernt man sie und ihre Situation, aber auch ihre Hoffnungen für die Zukunft besser kennen. „Ich wünsche mir, ein Sparkonto für meine Zwillinge eröffnen zu können“, wird beispielsweise ein Familienvater zitiert. Ein anderer Betroffener betont: „Fast jeder hat Schulden, aber man spricht nicht darüber.“

Dem soll mit „Zwischen Mut und Verzweiflung“ entgegengewirkt werden. Er begrüße es sehr, dass mit der Ausstellung das Thema „Überschuldung“ enttabuisiert werde und die Fotos von Mathias Richter „ganz bewusst und exemplarisch einige Betroffene aus der Anonymität herausholen und dem Problem stattdessen ein Gesicht geben“, so Kowalski.

Auch Ilona Schlegel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Obere Nahe, betonte die Wichtigkeit, „das Thema Schulden sichtbarer zu machen, es zu entstigmatisieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen". Sehr viele Betroffene hätten Schamgefühle, was dazu führe, dass das Problem verdrängt werde, statt frühzeitig gegenzusteuern. Deshalb lautete Schlegels Appell an alle Betroffene, „dass sie ihren Scham überwinden und Hilfe suchen sollten“.

Diese Unterstützung wird unter anderem von der in Idar-Oberstein ansässigen Schuldnerberatung des Diakonischen Werks Obere Nahe angeboten. Mitarbeiterinnen dieses Teams hatten an der Ausstellungseröffnung in Birkenfeld ebenso teilgenommen wie Superintendentin Jutta Walber sowie die zuständige Dezernentin Kathrin Alfers und Dirk Köbrich, Leiter der Abteilung 4 (Soziales), bei der Kreisverwaltung Birkenfeld.   

Einig waren sich alle Beteiligten dabei, dass – um es mit der Schlussbemerkung des Landrats in dessen Rede zu formulieren – „der Weg in die Verschuldung nicht als persönliches Versagen gewertet werden darf, sondern dieses Schicksal im Grunde genommen fast jeden von uns treffen kann.“ 

INFO

Kontakt zur gemeinsamen Schuldnerberatung des Kirchenkreises Obere Nahe und des Nationalparklandkreises Birkenfeld: 
Pappelstraße 3
55743 Idar-Oberstein
Tel. 06781/5163530
E-Mail: schuldnerberatung(at)obere-nahe.de

Die Beratungsgespräche erfolgen nach Terminvereinbarung und sind vertraulich, kostenlos, sowie nationalitäts- und konfessionsunabhängig. 

Landrat Miroslaw Kowalski eröffnete zusammen mit weiteren Beteiligten in der Kreisverwaltung die vom Diakonischen Werk Obere Nahe organisierte Fotoausstellung „Zwischen Mut und Verzweiflung“, die das Tabuthema „Überschuldung“ mit Porträtaufnahmen von Betroffenen aufgreift. Fotos (2): Axel Munsteiner/Kreisverwaltung Birkenfeld