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A(ge)dacht: Mit weniger kann ich das Herz erfreuen

Beim Lesen eines Zeitzeugenberichts erinnert sich Johannes Hülser an den Sinn der Fastenzeit: Mit weniger kann ich mein Herz erfreuen und ich lerne, die kleinen Dinge neu zu schätzen.

Am Bahndamm vor 75 Jahren: „Zum ersten Mal Bonbons sehen!“ - „Weil die durchfahrenden Amis Bonbons, Zigaretten und andere kostbare Sachen aus den laufenden Zügen warfen, hielt sich die Jugend tagsüber meistens am Bahnkörper auf. Viele Kinder bekamen wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben Bonbons zu sehen.“ Dieser Volksschullehrer aus Offenbach am Glan wusste, wovon er in den Märztagen 1945 schrieb.

Amerikanische Truppen hatten das Glantal erobert. Die Kriegsjahre waren so arm, notiert er, dass viele Kinder von dem angeblichen Feind zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben (!) ein Bonbon erhielten. Wie elend müssen dann erst die Nachkriegsjahre sein. Zigaretten waren ein wichtiges Tauschmittel. Dass diese bei dem Wurf aus dem Zugfenster oft eine Macke davontrugen, störte nicht.

Jetzt jähren sich diese Ereignisse zum 75. Male. Viele, der damals so armen Kinder, haben das achte Lebensjahrzehnt erreicht. Heute sind die Läden voll. Bei den Faschingsumzügen der letzten Woche wurden einfache Bonbons oft gar nicht mehr aufgehoben. Die Zeiten ändern sich.

Aber, dass Feinde freiwillig abgeben; dass sie nicht nur den Kindern ihrer Gegner, die sie ja gar nicht persönlich kennen, etwas schenken - das hat heute noch eine tiefe Bedeutung. In der Passionszeit bereiten sich viele Jugendliche auf ihre Konfirmation vor. Dazu gehört in unseren Kirchengemeinden auch, sich selbst einen Konfirmationsspruch aus der Heiligen Schrift auszuwählen. Eines der beliebtesten Leitworte, das sich heute Jugendliche auswählen, stammt aus dem Römerbrief des Apostels Paulus: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“ (Römerbrief 12,21)

Sich überwinden, weil Gott in Christus das Böse schon überwunden hat, dazu hat uns der Aschermittwoch aufgerufen. Mit ihm beginnt die Fastenaktion unserer evangelischen Kirche „Sieben Wochen ohne!“. Oft hat ein sinnloser Überfluss guter Dinge böse Folgen. Bewusst auf dieses Zuviel zu verzichten, macht reicher: Mit weniger kann ich mein Herz erfreuen und ich lerne, die kleinen Dinge neu zu schätzen. So kann ein Verzicht gut sein. Mit dem Verschenken ihrer Rationen haben die amerikanischen Soldaten für bitterarme Kinder an einem Eisenbahngleis vor 75 Jahren gezeigt, dass sie nicht einfach „der Feind“ sind. Sie kannten die Kinder nicht persönlich oder konnten mit ihnen länger sprechen; ihre Züge rollten ja unaufhaltsam an der Gruppe von Kindern und Jugendlichen vorbei.

So ruft uns die Passionszeit, das Gedenken an Leiden, Sterben und Auferstehen von Jesus Christus zu einer neuen Anstrengung auf. Wenn ich aus weniger mehr mache, dann kann ich das Böse schrankenlosen Konsums mit Gutem überwinden. Das Leid der ausgebeuteten Schöpfung wird gelindert durch diese „Überwindung durch das Gute aus menschlicher Güte“.

Es grüßt Sie zum kommenden Wochenende, Ihr Johannes  Hülser, Pfarrer aus Offenbach am Glan, Medard-Wiesweiler und Niederalben-Niedereisenbach