Mir verschlug es zunächst die Sprache. Ich war irritiert. Es ist heutzutage wirklich normal, dass man andere Menschen runtermacht? Auf mein Nachfragen, bestätigte der Schüler seine Aussage. Er meinte es wirklich ernst. Er war davon überzeugt.
Noch lange beschäftigte mich diese Aussage. Wie kommt er darauf? Was hat er erfahren, dass er das als normal empfindet? Ist er vielleicht selbst oft runtergemacht worden? Hat sich ihm da niemand an die Seite gestellt und ihn geschützt?
Muss man andere Menschen runtermachen, um zu einer Gruppe zu gehören? Hat ihm niemand gesagt, dass das Runtermachen von anderen Menschen nicht normal ist? Welche Vorbilder hat dieser Jugendliche?
Ein paar Tage später behauptete der amerikanische Präsident, dass das Inklusionsprojekt der Demokraten schuld sei an dem Flugzeugabsturz über Washington. „Es säßen nur Behinderte“ in den Towern. Diese Äußerung war wieder einmal ein Rundumschlag gegen viele Menschengruppen; von den politischen andersdenkenden Demokraten über Behinderte zu den Fluglotsen. Diese Vorgehensweise, Menschen schlecht zu machen, sie bewusst und gezielt ins schlechte Licht zu stellen, ist die schlimmste Form des Runtermachens. Es ist menschenverachtend.
Erschreckend ist auch, dass niemand aus den präsidialen Reihen dieser menschenverachtenden Behauptung widersprach. Die Fluglotsen sahen sich zur Rechtfertigung genötigt, dass immer noch strengste körperliche und geistige Anforderungen an die Fluglotsen gelten. Sie haben wohl in guter Absicht die Aussage des Präsidenten richtigstellen wollen und damit die Absurdität der Aussage ernstgenommen.
Wenn die Aussagen des Jugendlichen durch die des Präsidenten und anderer Politiker in der Öffentlichkeit bestärkt werden, dann sind wir – so ist zu befürchten – auf dem Weg dahin, dass Menschenverachtung zur Normalität wird. Das darf nicht passieren. Menschen runter machen und Menschengruppen zu verachten, darf keine Normalität werden. Das hatten wir schon einmal in Deutschland.
Zuerst sind es nur die menschenverachtenden Worte, dann … dann sind es kleine Gesten, wie in der Klasse, in der gemobbt wird; dann kleine Handlung und dann, was kommt dann…? Nein, soweit darf es nicht kommen. Wir müssen widersprechen und ins Gespräch gehen. Jugendlichen erklären, warum das Runtermachen von anderen Menschen nicht normal ist. Ich geben die Hoffnung nicht auf, dass das doch Früchte tragen wird und nicht sinnlos ist.
Für alle Menschen gilt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Jeder Mensch ist als Ebenbild Gottes geschaffen. Diesen Wert und diese Würde darf niemandem genommen werden. Als Gottes Ebenbilder haben diese Gott gegebene Würde zu achten und zu schützen.
Schulpfarrerin Barbara Zimmer-Schuch