„Herzen auf statt Türen zu!“ Unter diesem Motto stand der diesjährige ökumenische Gottesdienst zum Tag des Flüchtlings, der gestern in St. Peter und Paul in Idar im Rahmen der Interkulturellen Woche gefeiert wurde. „Herzen auf statt Türen zu!“ – Nicht gerade der Zeitgeist in diesen Tagen. Eher: Türen feste zu!
Grenzen werden wieder kontrolliert wie in fast vergessenen Zeiten. Politiker und Politikerinnen jedweder Couleur überbieten sich mit Forderungen und Ideen, wie illegale Migration gestoppt werden könnte. „Belastungsgrenze“ hat „Willkommenskultur“ abgelöst, so scheint es. Dass es viele Probleme rund um Migration gibt, das will ich nicht bestreiten. Wohnungsmangel und Fehlen von Kindergartenplätzen oder Sprachkursen sind nur einige. Und sicher tragen die Ereignisse in Solingen und anderswo auch nicht zur Besserung der Stimmung bei.
Probleme, die angesprochen, diskutiert und gelöst werden müssen. Aber ist die derzeitige Debatte hilfreich? Wem nützt es, wenn immer wieder unsere Ängste geschürt werden, wenn unterschieden wird in „die da“ und „wir“? Mich erschreckt das alles. Und ich frage mich: Wie müssen sich geflüchtete Menschen gerade fühlen? Ich will mir nicht vorstellen, wie es ist, in einem Kriegsgebiet zu leben, nicht wissend, ob die nächste Bombe mein Haus, meine Familie, mich trifft. Viele von uns haben es doch am eigenen Leib erlebt! Ich will nicht wissen, wie es sich anfühlt, den eigenen Ehepartner, das eigene Kind, den Bruder oder die Schwester als Soldaten im Krieg zu wissen. Ich könnte es auch nicht aushalten, mein Kind hungern zu sehen, wissend, dass es auf der anderen Seite der Welt alles im Überfluss gibt.
Ich bin erschüttert, wenn ich höre, was Menschen auf sich nehmen, um ein freieres, sichereres, besseres Leben zu führen. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand leichtfertig all diese Qualen und Gefahren auf sich nimmt. Ja, Verbrechen bleibt Verbrechen, und wir müssen über die zukünftige Migrationspolitik reden. Aber sachlich und mit Weitblick. Und wir dürfen nicht vergessen, dass es um Menschen, im christlichen Sinn um unsere Schwestern und Brüder geht, über die da geredet wird. Und wir leben in einem Rechtsstaat, in dem gleiches Recht für alle gilt. Sowohl die interkulturelle Woche als auch der ökumenische Gottesdienst haben ein Ziel: über alles Trennende hinweg ins Gespräch miteinander kommen, sich kennenzulernen und im Anderen den Menschen zu sehen, mit gleichen Rechten und Pflichten und vor allem mit gleicher Würde. Damit Zusammenleben gelingen kann.
Christine Wild, Pfarrerin in der Kirchengemeinde Idarbachtal