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An(ge)dacht: Weihnachten - die heile, unbetretbare Welt

"Als kleine Kinder träumten wir unbefangen davon, einmal in einer heilen Welt zu leben." Je älter wird werden, desto mehr erkennen wir: Irgendwo steht vor dem Paradies immer der Engel mit dem zuckenden Schwert.

In der letzten Strophe eines alten Weihnachtsliedes heißt es, dass mit Weihnachten Gott uns die Tür zum Paradies wieder aufschließt. Ach, das Paradies, wie fern scheint das gerade zu sein, wie sehr sehnen wir uns nach einer heilen Welt, oder wenigstens einer etwas heileren als der, die wir zunehmend um uns herum erleben. Aber die Tür dazu scheint weiterhin verstellt. Auf diese Wahrheit bereitet uns das Leben von Kindesbeinen an immer wieder vor, manchmal so, dass es uns weh tut. Manchmal auch so, dass wir aufschreien möchten vor Schmerz.

Als kleine Kinder träumten wir unbefangen davon, einmal in einer heilen Welt zu leben. Alles wäre uns möglich: ein langes Leben, eine gute Frau bzw. ein guter Mann an unserer Seite und auch noch viel Geld. Und Gerechtigkeit und Friede, Leben für alle im Guten. Nun, auch im Großen der Gesamtgesellschaft haben sich die Träume nicht erfüllt – zumindest nicht für alle. Gerade in diesen Weihnachtstagen müssen mehr  und mehr Menschen harte Abstriche machen.

Die heile Welt ist für uns unbetretbar. Irgendwo steht vor dem Paradies immer der Engel mit dem zuckenden Schwert – und an dem schneiden wir uns, wenn wir glauben, hier aus dieser Begrenzung herauszukommen. Warum singen wir dann in diese Erfahrung hinein: Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis, der Cherub steht nicht mehr dafür..?(EG27,6).

Einmal denke ich, weil Weihnachten in uns Erwachsenen eine ganz besondere Erinnerung wachruft. Wahrscheinlich gibt es kaum eine passendere Beschreibung für „Paradies“ als unsere kostbaren Erinnerungen an die ersten Kinderweihnachten. Und: sich an Gutes zu erinnern heißt so etwas wie „ seine Seele in die Sonne zu halten“. Doch meist haben wir schon am nächsten Tag gemerkt, dass der Cherub doch noch vor der Tür zum Paradies steht, und lernten im Lauf unseres Lebens den Respekt vor den Grenzen, die uns auf dieser Erde gesetzt sind.

Unsere Welt ist eine Welt, die noch nicht ist, was sie sein soll. So haben wir Trost immer wieder nötig. Die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem  und die damit verbundene Zusage Gottes: „Ich bin bei Euch auch auf und in dieser Welt“ ist immer wieder neu göttlicher Trost. Trost, der stärken und helfen will. Trost, der uns nicht verlässt. Und mit ihm kann die Tür zum Paradies auch für uns Erwachsene hin und wieder weit oder wenigstens einen Spalt weit aufgehen.

„Gott sei Lob, Ehr und Preis“ so endet die Liedstrophe, die die offene Tür besingt. Ja, vielleicht ist dies die sicherste und vielleicht auch schönste Form , mit dem Paradies hinter Gottes Schwertengel immer wieder in Verbindung zu bleiben.

So wünsche ich uns: Frohe Weihnachten.

Pfarrerin Sabine Heiter-Grates

© Bettina Schuck Göbel / fundus-medien.de