Die Bibel erzählt im Alten Testament viele Geschichten von Flucht. Das Volk Gottes bricht immer wieder auf, verliert seine Heimat, sucht eine neue, findet sie, verliert sie, …. Die Wüste ist oft Bild für Heimatlosigkeit, Entbehrung und Suche. Sorge, Hunger, Unfrieden begleiten nicht nur das 2. Buch Moses, das schon mit dem Namen „Exodus“ aussagt, wie präsent die Erfahrung von Flucht schon vor unserer Zeitrechnung war. Am 20. Juni 2022 ist Weltflüchtlingstag. Bis heute ist Flucht für viele Menschen weltweit eine Lebenswirklichkeit, die wir in Deutschland gerade in diesem Jahr als Aufnahmeland sehr bewusst wahrnehmen.
Not und Angst, der Verlust von Heimat und sozialen Beziehungen begleiten Menschen, die alles zurücklassen mussten auf dem Weg ins Unbekannte. Dass am Ende der Flucht ein neuer Anfang und eine neue Heimat in Deutschland oder im Herkunftsland stehen, das ist die Vision, auf die wir hinwirken wollen und sollen. Die Generation in Deutschland, die nach dem 2. Weltkrieg flüchten musste, stirbt aus. Neue Generationen aus anderen Ländern kommen nach. Ein Ende ist leider nicht in Sicht. Nicht das gelobte Land ist wie in der Bibel das Ziel, sondern das nackte Überleben.
Für die vielen Gesichter, die Flucht vom Alten Testament bis heute hat, möchte ich Mascha Kalèko mit ihrem Gedicht „Chanson von der Fremde“ zu Ihnen das Gefühl des Fremdseins ausdrücken lassen:
Die Fremde ist ein kaltes Kleid
Mit einem engen Kragen
Ich hab´s mit meinem Koffer oft
Im Leben schon getragen
Als Einzelgänger von Natur
Wohn ich nicht gern zu Gaste
Ich hause lieber unterm Dach
Als fremd im Prunkpalaste
Ich reise ohne Stock und Hut
Und tanze aus dem Reigen
Wenn einer eine Reise tut
Dann kann er viel verschweigen